Die Bundesregierung plant mit dem Deutschlandnetz eine umfassende Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, um die Anforderungen der AFIR zu erfüllen. Dazu gehört auch der Aufbau eines Schnellladenetzes für Lkw, dessen erste Ausschreibung im September letzten Jahres gestartet wurde.
Vor dieser Ausschreibung wurde das sogenannte Durchleitungsmodell als ein Konzept diskutiert, um den Wettbewerb und die Transparenz bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur zu fördern. Es wurde schließlich als Voraussetzung in der Ausschreibung eingeführt.
Obwohl das Durchleitungsmodell im Rahmen des Deutschlandnetzes noch keine Voraussetzung ist, gewinnt es auch für das Laden von Elektroautos zunehmend an Bedeutung. Erste Pilotprojekte außerhalb des Deutschlandnetzes wurden Ende 2024 erfolgreich in den Regelbetrieb überführt.
Das Durchleitungsmodell wird öfter als revolutionär für die Elektromobilität angesehen, bringt jedoch bei flächendeckender Umsetzung insbesondere für Ladesäulenbetreiber (CPOs) Herausforderungen mit sich. Es lohnt sich daher, das Modell genauer zu betrachten.
Was ist das Durchleitungsmodell?
Das Durchleitungsmodell soll das Laden an öffentlichen Ladesäulen einfacher und flexibler gestalten, indem es den Verbrauchern ermöglicht, ihren eigenen Stromanbieter zu wählen, unabhängig vom Betreiber der Ladesäule.
Der Betreiber stellt die Infrastruktur bereit und sorgt für deren Funktionalität. Der geladene Strom wird jedoch vom gewählten Anbieter geliefert, der auch die Kosten direkt mit dem Verbraucher:innen abrechnet. Der Betreiber der Ladesäule erhält eine Vergütung für die Bereitstellung und Nutzung der Infrastruktur.
Dieses Modell ist hauptsächlich für öffentliche Ladesäulen gedacht, kann aber auch auf halböffentliche Standorte wie Firmenparkplätze oder Ladepunkte in Einkaufszentren angewendet werden. Ziel ist es, den Verbrauchern mehr Wahlfreiheit und Preistransparenz zu bieten und gleichzeitig den Wettbewerb zwischen den Stromanbietern zu stärken.
Wie funktioniert das Durchleitungsmodell?
Das Modell funktioniert folgendermaßen:
- Ladevorgang: Verbraucher:innen laden ihre Elektrofahrzeuge an einer öffentlichen Ladesäule.
- Datenübermittlung: Die Ladesäule erfasst die geladene Strommenge und übermittelt diese Informationen an den Netzbetreiber und den gewählten Stromanbieter.
- Abrechnung: Der Stromanbieter stellt dem Verbraucher den geladenen Strom in Rechnung, während der Ladesäulenbetreiber ein Nutzungsentgelt für die Infrastruktur erhält.
Das Besondere an diesem Modell ist, dass die Ladesäulenbetreiber keinen Strom mehr liefern, sondern lediglich die Ladeinfrastruktur bereitstellen. Die Stromanbieter übernehmen die Versorgung und Abrechnung.
Warum ist das Durchleitungsmodell wichtig?
Das Durchleitungsmodell bietet verschiedene Vorteile:
- Förderung des Wettbewerbs: Verbraucher:innen können ihren Stromanbieter frei wählen, ähnlich wie es bei Internetanbietern der Fall ist.
- Mehr Preistransparenz: Durch den Wettbewerb zwischen den Anbietern können die Preise transparenter kommuniziert werden und potenziell sinken.
- Größere Flexibilität: Verbraucher:innen sind nicht mehr an den jeweiligen Ladesäulenbetreiber gebunden.
Zusätzlich bietet es eine nachhaltigere Stromnutzung: Verbraucher:innen können gezielt Strom aus erneuerbaren Energien wählen und dies nachweislich dokumentieren. Für Unternehmen ist dies besonders im Hinblick auf ESG-Kriterien von Interesse.
Herausforderungen für Ladesäulenbetreiber (CPOs)
Für CPOs bringt das Modell neue Herausforderungen mit sich:
- Technologische Anpassungen: Die Ladeinfrastruktur muss in der Lage sein, die geladenen Energiemengen präzise zu erfassen und die Daten in Echtzeit an Netzbetreiber und Stromanbieter zu übermitteln. Dies erfordert Investitionen in moderne Mess- und IT-Systeme.
- Neue Abrechnungsmodelle: Betreiber müssen ihre Prozesse umstellen, da sie nicht mehr direkt für den Stromverbrauch, sondern für die Nutzung ihrer Ladeinfrastruktur entlohnt werden.
- Einhaltung gesetzlicher Vorgaben: Transparenz und diskriminierungsfreier Zugang für alle Stromanbieter müssen gewährleistet werden.
Auswirkungen auf die Elektromobilität
Das Durchleitungsmodell hat das Potenzial, die Ladeinfrastruktur nachhaltig zu verändern. Durch verstärkten Wettbewerb und eine verbesserte Preisstruktur wird das Laden für Verbraucher:innen attraktiver und potenziell kostengünstiger. Gleichzeitig müssen CPOs ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln und sich auf die Bereitstellung und Optimierung der Ladeinfrastruktur fokussieren.
Ein zusätzlicher Vorteil für Nutzer:innen ist die Reduzierung der Abhängigkeit von verschiedenen Ladekarten. Bislang mussten E-Auto-Fahrende oft mehrere Karten von unterschiedlichen Anbietern mitführen und jeweils entscheiden, welche sie für eine bestimmte Ladesäule verwenden. Mit dem Durchleitungsmodell entfällt diese Hürde potenziell, da der bevorzugte Stromanbieter dann unabhängig von der Ladesäule genutzt werden kann. Dies vereinfacht den Ladeprozess erheblich und macht Elektromobilität noch komfortabler.
Für die Elektromobilität in Deutschland würde das Durchleitungsmodell demnach bei vollständiger Durchsetzung eine effizientere Nutzung der öffentlichen Ladeinfrastruktur, eine Steigerung der Akzeptanz und letztendlich einen weiteren Schub für den Ausbau der E-Mobilität bedeuten. Ob es sich jedoch durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.
Dieser Text basiert auf einem Beitrag zum Thema von M3E und ist zuerst auf dem dortigen Blog erschienen.